Zwischen Altem und Neuem – Mein FSJ im Kreisarchiv Steinfurt

17. Mai 2024


„Jede Person sollte einen Freiwilligendienst machen können.“

– Nele, FSJlerin

Ich bin Nele, 19 Jahre alt und absolviere mein FSJ im Kreisarchiv Steinfurt.
Ich habe 2023 mein Abitur gemacht und war dann erstmal aufgeschmissen.
Also habe ich mich für einen Freiwilligendienst entschieden – und es nicht bereut.
Während meines Freiwilligendienstes gab es bereits einige Projekte, die ich realisiert habe.
Zum einen bearbeite ich mehrere Bestände, also Aktensammlungen.
Außerdem habe ich neue Postkarten für das Archiv designt, für die ich passende Motive herausgesucht und mir Sprüche überlegt habe.
Natürlich gehört auch mein FSJ-Projekt dazu.
Hier habe ich einen Kurrent-Crashkurs vorbereitet.
Kurrent ist eine alte Schriftart, aus der sich später das Sütterlin entwickelt hat.
Ich habe in einer 13. Schulklasse mein FSJ und das Archiv vorgestellt und anschließend mit den Schüler:innen das Lesen geübt.
Das ist schwieriger, als sich das jetzt anhört.
Abschließend bereite ich momentan eine Ausstellung für eine Vitrine im Gebäude der Kreisverwaltung Steinfurt vor.
Hierbei geht es um das Jubiläum des Kreisarchivs, das dieses Jahr 35 Jahre alt wird.
Highlights sind für mich auch immer die Seminare.
Hier wurde ich mehrmals aus meiner Komfortzone gedrängt – und tadaa, ich lebe noch.
Die Workshops bieten einem die Möglichkeit, auch mal Dinge auszuprobieren, die man normalerweise
nicht machen würde.
Bei mir war das der Band-Workshop.
Am Ende hatten wir ein geiles Cover und einen noch geileren selbstgeschriebenen Song auf die Beine
gestellt, ich bin eingestiegen in das Thema Songwriting und fühle mich nun viel wohler dabei, vor anderen Leuten zu singen.
Außerdem habe ich neue Freundinnen gefunden, mit denen die Seminare immer total lustig sind.
Wenn ich mit ihnen zusammen bin, bemerke ich auch, dass es nicht wichtig ist, immer bei allem dabei
zu sein, und wenn man mal einen ruhigen Abend auf dem Zimmer verbringt, ist das gar kein Problem.
Ich hoffe, dass wir auch nach dem Freiwilligendienst in Kontakt bleiben werden.
Besonders gefällt mir übrigens auch der Seminarkodex: „Jede:r ist Expert:in seiner/ihrer selbst“ und „Jede:r kann, keine:r muss“.
Das hilft mir immer, um meine Nervosität vor oder während der Seminare zu nehmen.
Wenn ich etwas nicht möchte, dann ist das so und niemand hinterfragt das.
Ich werde zu nichts gezwungen und kann mir Pausen nehmen, wenn ich sie brauche.
Ich weiß noch, dass das am Anfang etwas seltsam war, weil ich mir Seminare mehr wie Klassenfahrten
vorgestellt habe, bei dem man eben am Programm teilnehmen muss.
So wird aber direkt eine angenehme Atmosphäre geschaffen.

Schon in den ersten Monaten habe ich bemerkt, was für eine starke Entwicklung ich gemacht habe.
Ich bin sehr viel selbstbewusster und offener geworden und finde mich jetzt auch in schwierigeren Situationen zurecht.
Dass man manchmal struggelt, gehört dazu, und ich kann damit nun viel besser umgehen.
Nichtsdestoweniger gibt es auch Phasen, in denen ich nicht gut zurechtkomme.
Dass ich trotzdem weitermache und so gut für mich selbst sorgen kann, macht mich sehr
stolz.
Außerdem habe ich gelernt, auf mein Bauchgefühl zu hören.
Ich kenne mich selbst am besten und weiß, wie ich mit bestimmten Situationen umgehen kann.
Hätte ich keinen Freiwilligendienst gemacht, hätte mir diese Entwicklung gefehlt.
Schon in meinem Jahrgang sind die Kürzungen bemerkbar.
Alleine, dass es unsere Jahrgangshefte nur noch digital gibt, hat mich echt enttäuscht, weil ich mich
von Anfang an darauf gefreut habe, genauso eine von meinem Jahrgang in der Hand
halten zu können.
Auch, dass die Abschlussveranstaltung jetzt in den einzelnen Seminargruppen und nicht mehr zentral stattfindet, ist schade.
So hätten wir die Möglichkeit gehabt, alle Freiwilligen auf einem Fleck zu sehen und ich hätte
mich mehr anerkannt gefühlt.
Auch wäre die Verabschiedung dann noch feierlicher, so wie ich es mir gewünscht hätte.
Noch weitere Kürzungen verhindern einzigartige Erinnerungen.
Im Gegensatz dazu würde ich mir wünschen, dass es ein FSJ-Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel gäbe.
Durch das Deutschland-Ticket blieben mir zwar einige Kosten erspart, da ich sonst das dreifache hätte zahlen müssen.
Doch ein ermäßigtes Ticket wie das für Azubis gibt es für Freiwillige nicht, obwohl wir weniger Lohn bekommen.
Das ergibt keinen Sinn und sollte sich unbedingt ändern.
Letztendlich half mir mein FSJ dabei, mich zu orientieren und einen Eindruck von der Welt außerhalb der Schule zu bekommen.
Ich weiß jetzt, dass ich vorerst keine Ausbildung machen, sondern lieber studieren gehen möchte. Deswegen sollte es jeder Person ermöglicht werden, einen Freiwilligendienst zu absolvieren.